Tag 4 der Winterferien Interview-Woche. Diesmal unterhielten wir uns mit Keron Seidel, der als Kegler aktiv ist. Viel Spaß beim Lesen.

 


Die Winterferien 2020 Interview-Woche:
Tag 1: mit Tatjana Vysochan (Link).
Tag 2: mit Daniel Schmidt (Link).
Tag 3: mit Patrick Schmdit (Link).
Tag 4: Mit Keron Seidel (Link).


Hallo Keron. Du bist Kegelsportler oder kurzgesagt: Kegler. Die Klassikerfrage zu Beginn: Wie bist du zum Kegeln gekommen?

Hallo, mein Papa hat mich schon früh mit auf die Kegelbahn genommen und damit war für mich sehr zeitig klar, das was er macht, möchte ich auch mal können. Anfangs bin ich bei seinen Spielen mit der ersten Männermannschaft dabei gewesen. Bei Auswärtsspielen war ich dann immer der Taschenträger, aber das war Ok, denn ich war dabei und heute spiele ich teilweise mit den gleichen Leuten sogar in einer Mannschaft.

Kegeln ist ein Sport, mit dem ich bisher nur sehr wenig in Berührung gekommen bin. Aber einige meiner Freunde kegeln ebenfalls. Erklär mal was für dich die Faszination Kegeln ausmacht?

Für mich ist die Faszination Kegeln die Verbindung der körperlichen Athletik und Fitness mit der höchsten Konzentration und mentalen Stärke, die in unserem kontaktlosen Sport so sehr wichtig sind. Es ist eine riesige Herausforderung im Training oder Wettkampf 120 Würfe lang die immer gleiche, technisch sehr anspruchsvolle, Bewegung zu wiederholen und das am Besten immer gleich und mit viel Präzision.

Wenn du eine Sache nennen müsstest, was genau gefällt dir am Besten beim Kegeln und was im Gegenzug gar nicht?

Für mich ist es der eben schon angesprochene sehr anspruchsvolle Bewegungsablauf, der immer weiter perfektioniert und verbessert werden kann. Wenn „nur“ drei Schritte, in denen alles bis auf die Tausendstel Sekunde auf einander abgestimmt ist, so häufig immer gleich wiederholt wird bekommt der Kopf, also die Konzentrationsstärke, eine immens wichtige Rolle. Die Verbindung von so vielen Komponenten, die sonst im alltäglichen Leben nur getrennt auftauchen, macht mir besonders viel Spaß. Wenn es für mich etwas geben würde das mir gar nicht gefällt, würde ich vermutlich schon nicht mehr kegeln.

Gleich mal eine etwas überspitzte Frage. Jemand sagt dir, Kegeln sei doch nur ein Altherrensport. Was hättest du da als Antwort parat?

Wenn ein Senior noch die Kondition hätte um die vollen 120 Wurf zu schaffen, dann wäre deine Aussage berechtigt, aber das schaffen nur die Wenigsten. Beim „Altherrensport“ ist es dann kein Sport mehr, sondern nur Freizeit-Kegeln.

Ein gutes Beispiel für deine Antwort ist auch die funktionierende Nachwuchsabteilung deines Vereins, dem ESV Roßlau 1951, oder?

Auf jeden Fall, als der Erste, der dieser Nachwuchsarbeit entsprungen ist, bin ich noch immer sehr gern bei den Kindern und Jugendlichen beim Training. Mein Papa, Ron Seidel, und unser zweiter Jugendtrainer Sebastian Kaden, nehmen sich sehr viel Zeit für die Nachwuchsarbeit. Seit einigen Jahren hat sich so eine Kegel-AG an der Roßlauer Grundschule „Waldstraße“ etabliert. Bei diesen Aufgaben oder Trainingseinheiten habe ich die beiden immer sehr gern selbst unterstützt bzw. freue mich auch jetzt noch darauf die durchaus schnellen Trainingserfolge der Kinder in den ersten Jahren mit zu verfolgen.

Erklär doch mal wie bei euch im Männerbereich, aber auch bei den Kindern im Nachwuchsbereich ein Training so abläuft.

Im Nachwuchsbereich ist es immer wichtig den Kindern nicht nur die nötige Technik zu vermitteln, sondern auch den Athletik-Bereich stetig zu fördern. Dafür stehen im Jugendtraining im Sommer einige Laufeinheiten oder auch Seilspringen auf dem Plan. Beim Training auf der Bahn geht es dann darum, immer den gleichen Wurf abrufen zu können. Um eine gute Konstanz zu erzeugen sind einige Jahre Training nötig. Ein Wettkampf besteht ja aus 120 Wurf, davon erfolgen 60 in die Vollen und 60 als Abräumer. Für unser Spiel in die Vollen ist es wichtig, dass man zwischen den vordersten und den links bzw. rechts daneben stehenden Kegel trifft. Diese beiden Möglichkeiten nennen wir „Gassen“. Für eine hohe Treffsicherheit ist daher ein Training nur mit einer der beiden Seiten nötig, also das Gassen-Training. Beim Abräumer-Training werden verschiedene Spielsituationen simuliert, in denen nur noch einzelne Kegel abzuräumen sind.

Unsere Region hat ja durchaus sehr guten Kegelsport zu bieten. Die Zerbster Kegler wurden zuletzt 14x (!!!) hintereinander Deutscher Meister. Was sagst du dazu?

Es fühlt sich manchmal schon ein bisschen wie beim Fußball und dem FC Bayern München an. Es ist aber sehr toll, dass wir in unserer Region einen derartig guten Kegelsport beheimatet haben. Wenn die mehrmalige beste Mannschaft Deutschlands aus unserer Region kommt, macht es einen schon ein bisschen Stolz.

Roßlau hat ja lange Zeit in der 2. Bundesliga gekegelt. Nun spielt ihr in der Landesliga. Wollt ihr langfristig wieder hoch oder was sind die Pläne?

Nach dem Bau unserer neuen Kegelbahn vor vier Jahren haben wir lange mit uns gehadert und sind dementsprechend verdient zweimal abgestiegen. Unser Ziel war bzw. ist logischerweise auch immer noch der Wiederaufstieg in die Verbandsliga. In den letzten beiden Jahren sind wir leider sehr knapp daran gescheitert und mussten jeweils als Zweiter zusehen, wie eine andere Mannschaft gefeiert hat. In diesem Jahr führen wir derzeit noch knapp die Tabellenspitze an, jedoch ist auch da noch nichts sicher. Mit einigen guten Leistungen scheint es in diesem Jahr tatsächlich mal machbar, am 14.03. steigt dann aber erstmal, bei uns in der Roten Hölle in Roßlau, das direkte Gipfeltreffen mit unseren Verfolgern aus Loburg.

Als wir mit Team Sportstadt nach Interviewpartnern gefragt haben, hast du dich sofort gemeldet. Du sagtest, es sei wichtig dem Sport eine Bühne zu geben. Wie wird deiner Meinung nach der Kegelsport in der Öffentlichkeit wahrgenommen?

Leider haben wir es noch nicht geschafft unseren Ruf als Kneipensportart los zu werden, aber in den letzten Jahren hat sich die Aufmerksamkeit schon ab und zu mal auf einige Kegelbahnen im Bundesgebiet gerichtet. Vor allem der Leistungssportbereich, zu dem die Deutschen Nationalmannschaften im Kegeln nun mal zählen, bekommt häufiger mal ein paar Auftritte in den regionalen Medien. Für uns waren es immer Highlights der Jahre, wenn, wie 2015 und 2017, die Weltmeisterschaften in Deutschland stattfanden. Mit einigen Kampagnen des Deutschen Kegel- und Bowlingbundes hat man es schon geschafft, ab und zu mal durchblicken zu lassen, dass es auf Kegelbahnen auch schon mal schweißtreibend zu gehen kann.

Rein faktisch siehts gar nicht so schlecht aus. Zumindest von den Mitgliederzahlen in den Verbänden. Fußball spielen in Deutschland sieben Millionen Menschen, im Handballverband sind 700.000 und im Basketballverband zum Beispiel 200.000 Personen angemeldet. Den Kegelsport betreiben 75.000 Personen. Gibts da eine Tendenz? Werden es von Jahr zu Jahr mehr oder weniger? Was tun die Verbände, um das Interesse zu steigern? Ich muss sagen, ich nehme persönlich eher weniger wahr.

Leider werden in den nächsten Jahren die Mitgliederzahlen weiter sinken. Vor allem das Hohe Durchschnittsalter macht uns Probleme und in den letzten Jahrzehnten wurde die Jugendarbeit leider viel zu sehr verdrängt. Das man eher weniger wahrnimmt liegt sicherlich auch daran, dass gerade in deiner Generation, also die die jetzt vielleicht ihre Kinder mitbringen würden, eine riesige Lücke in den Altersspiegeln bezüglich der Mitgliederzahlen klafft. Langsam kann man erkennen, dass in einigen Klubs das Durchschnittsalter ein wenig sinkt, da hin und wieder Kinder und Jugendliche den Weg auf die Kegelbahn ihres Ortes finden und dann auch mal einen Freund oder eine Freundin mit bringen. Mit diversen Familienpokalen oder Freundes-Turnieren, die schon stattfinden oder in den nächsten Jahren eingeführt werden, macht der Landesverband Sachsen-Anhalt ein bisschen Werbung. Allerdings wird es kaum reichen, um die Mitgliederzahlen zu halten. In Sachsen-Anhalt gehört Roßlau zu den wenigen Klubs, die sehr intensiv um Jugendliche werben und nicht einfach nur die Türen öffnen.

Mich interessiert: Was muss man drauf haben, um ein guter Kegler zu werden. Erzähl mal.

Eigentlich, salopp gesagt, reicht es, wenn du drei Schritte geradeaus gehen kannst, eine gewisse Körperbeherrschung hast und mit etwas Grundkondition ausgestattet bist. Der Rest ist eine reine Übungssache, wie bei allen sehr technischen Sportarten. Wenn es dann irgendwann mal soweit ist, dass man den ersten Wettkampf bestreitet und einem der Gegner gegenüber steht, ist es wichtig sich auf sich selbst zu fokussieren und das im Training angeeignete abzurufen.

Du bist ja erst 20. Was waren dennoch deine bisherigen Highlights, die du mit dem Kegelsport verbindest?

Mein absolutes Highlight war der Landesmeistertitel 2017 und die darauf folgende Deutsche Jugend Meisterschaft in Ludwigshafen-Oggersheim. Bei meinen beiden Spielen bei der Landesmeisterschaft konnte ich im Nachhinein das erste Mal wirklich im so häufig angestrebten Flow spielen. Es hat einfach nur Spaß gemacht zu kegeln und den Zuschauern etwas zu Bieten. Bei meinen ersten Deutschen Meisterschaften konnte ich mich direkt fürs Finale qualifizieren und wurde am Ende Siebter. Mit meinem Finaleinzug hatte ich auch einen zweiten Startplatz für Sachsen-Anhalt im nächsten Jahr geholt, den ich nach dem Vize-Landesmeistertitel 2018, selbst in Anspruch nahm.

Hast du Ziele, die du in diesem Sport unbedingt erreichen möchtest?

Das erste nächstliegende Ziel ist auf jeden Fall der Aufstieg Mitte März mit meiner Mannschaft in die Verbandsliga. Ansonsten wäre es super wieder erfolgreich bei den Landesmeisterschaften im Einzel zu sein und mich mit ein paar guten Ergebnissen noch ein bisschen ins Blickfeld des Nationaltrainers zu schieben.

Du bist einer von vielen, den es beruflich in ein anderes Bundesland verschlagen hat. Was verbindet dich dennoch mit der Heimat, weshalb du in Roßlau weiter den Kegelsport betreibst?

Derzeit sind es einerseits meine Eltern und andererseits der Spaß am Kegeln, die mich dann doch das ein oder andere Wochenende in der Saison mehr in die Heimat treiben. Ich habe Glück weiter trainieren zu können und so halbwegs im Leistungsniveau der Mannschaft mit halten zu können. Ich freue mich aber immer wieder ein bisschen von der Großstadt abschalten zu können, um mich so auf die wesentlichen Punkte im Leben fokussieren zu können.

 


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