Der 1. FC Lokomotive Leipzig zählt zu den größten Traditionsvereinen in der Region. Allein der Wikipedia-Artikel der Eisenbahner unterteilt sich in 38 Abschnitte. Es ist eine unglaubliche Berg- und Talfahrt, die Lokomotive seit mehr als einhundert Jahren erlebt hat. Die Leipziger waren mit dem VFB Leipzig 1903 der erste Deutsche Fussballmeister, standen 1987 im Finale des Europapokals und wurden auch etliche Male DDR-Pokalsieger. Im Jahr 2003 folgte dann der große Einbruch. Nach dem Insolvenz-Antrag gründeten die Fans des VFB Leipzig den heutigen 1. FC Lokomotive Leipzig. Lok begann in der 11. Liga, der 3. Kreisklasse in Leipzig. Der Durchmarsch gelang bis in die Regionalliga Nordost, in der die Leipziger auch heute noch aktiv sind. In der Zwischenzeit sorgte man mit Hilfe der immer noch großen Anhängerschar für große Schlagzeilen. 12.421 Zuschauer besuchten im Jahr 2004 das Punktspiel gegen Eintracht Großdeuben II. Ein Zuschauer-Weltrekord für die niedrigste Liga.
Ganz so viele Fans kamen am gestrigen Samstagnachmittag in das altehrwürdige Bruno-Plache-Stadion zwar nicht, die knapp 2300 Zuschauer gegen den SV Babelsberg sind aber sicherlich trotzdem eine annehmbare Zahl. In allen fünf Regionalligen befindet sich der 1. FC Lok Leipzig mit einem Zuschauerschnitt von 2573 Fans pro Spiel ligaübergreifend auf Rang 8. Die meisten Zuschauer kommen in der Regionalliga West. Rot-Weiß Essen spielt vor durchschnittlich 8701 Fans.
Der 1. FC Lok möchte mittelfristig hoch in die 3. Liga. In dieser Saison spielen die Leipziger schon ganz oben mit, rennen aber dem Ligaprimus aus Berlin hinterher. Der BFC Dynamo hat bereits sieben Punkte Vorsprung, doch die Eisenbahner leben den Traum vom Aufstieg weiter. Gerade die Fans in der Kurve. Für Team Sportstadt war es der erste Besuch im Bruno-Plache-Stadion. Ähnlich, wie im Alfred-Kunze-Sportpark bei Chemie, wird hier Fussball noch auf eine ganz andere Art und Weise gelebt. Der Vergleich zum millionenschweren Klub aus der 1. Bundesliga wird in Leipzig ja immer wieder gezogen. Da muss man halt abwägen, was einem lieber ist. Wir sind dann definitiv lieber in den unteren Ligen unterwegs. Das Bruno-Plache-Stadion besitzt eine Menge Charme, auch wenn es inzwischen ganz schön baufällig ist, oder eigentlich auch gerade deshalb. Hier spielen die Kinder in der Halbzeitpause noch mit mitgebrachten Bällen vor der Tribüne und ärgern den Grillmeister an seinem Stand, wenn der Ball mal wieder gefährlich nah an die Würstchen herangeflogen kommt. Andere Kids chillen lieber gemütlich auf einem Zaun vor dem Stehplatzbereich und lassen es sich in der Sonne gut gehen.
Die aktive Fanszene von Lok Leipzig befindet sich in der Kurve hinter einem der beiden Tore. Der Gästemob vom SV Babelsberg marschierte erste Mitte der ersten Halbzeit mit ca. 150 Leuten in den Gästeblock hinein. Hier muss man aber ganz klar sagen, dass die Leipziger tonangebend waren. Zahlenmäßig und auch optisch überlegen. Hier hatten wir uns von den Gästen ein wenig mehr erhofft. Bei Klassikern auf der Heimseite steigt dann schon mal das gesamte Stadion mit ein. Die bekannten „Lok, Lok“-Rufe ertönen dann aus jeder Ecke. Auch wenn die Leipziger als Favorit die Partie im Griff hatten, plätscherte bis zur 70. Minute das Geschehen auf dem Rasen so ein wenig vor sich hin. Im Stehplatz-Bereich träumte man derweil schon von den nächsten Europapokal-Schlachten. „Erstmal Babelsberg besiegen, hoffen das der BFC noch ein paar mal patzt und dann durch Liga 3 und 2 marschieren. 2025 spielen wir dann wieder international„, so hofft ein zuversichtlicher Lok-Anhänger und erntete von seinen Mitstreitern schmunzelnde Blicke. Kurz darauf zappelte der Ball bei den Gastgebern im Netz. Der eingewechselte Osman Altigan war erfolgreich und brachte den 1. FC Lok Leipzig in Führung. „Seht ihr? Was hab ich gesagt? Läuft doch. Ich werde für 2025 schon mal nach Hotels in Spanien und Italien schauen„, griff der Lok-Fan seine internationalen Pläne wieder auf und hatte die Lacher auf seiner Seite.
Am Ende gewannen die Hausherren verdient mit 1:0 und blicken nun wieder ganz nach oben. Um wirklich weiter vom Aufstieg träumen zu können, muss der Tabellenführer aus Berlin, wie eingangs erwähnt, allerdings noch eins, zwei Mal straucheln.